Sabine Ott

oben: La Fillette, Selbstportrait 2010
rechts, von oben: Brillen 2017, V&V Galerie; Haltung (Stahlhänger für eine Person) 2019, Artmark Galerie
Frau Ott (Stuhl, Haare) 2016, Galerie Lehner



Sabine Ott: Die Repräsentantinnen, Vienna City Gallery Walk 2020
kuratiert von Petra Noll und Brigitte PRINZpod
Elf Objekte beschreiben einen Körper.
From nose till toe …
Räumlich organisiert, von oben nach unten und von innen nach aussen, stellen die Repräsentantinnen
(Sabine Ott´s Körperabwicklungen) ein Leitsysthem für einen Galerien-Rundgang her.

 

oben: Kegel, 2019
rechts, von oben:  Einteiler, zweiteilig (Leinenanzug ) 2020, Rudolf Leeb/ Anita Münz, Tittenarschanorak (Anorak, vier Taschen,
Kapuze, Mundnasenschutz) 2020, Bacht Vienna; Kegel (Filz) 2019, Galerie Ulrike Hrobsky
( die Repräsentantinnen, Gallery Walk)

oben: Blue Box, 2020
rechts, von oben: o.T. (Zehnärmler, Wollstoff) 2017, Freie Galereie Franziska Helmreich;  Juni (30 Unterhosen, datiert) 2010,
AG 18 Urban Art Gallery; Blue Box (Sperrholz, Metallgestell) 2020, Rauminhalt; Schuhe (Schneidebrett, Gurte, Schnallen) 2020,
GPL Contemporary
(die Repräsentantinnen, Gallery Walk)


oben: Die Infantin, 2020; Austellungsansicht: Tabernakel, expanded, Bildraum Bodensee; kuratiert von Michael Kos
rechts: Die Infantin, 3 tlg., 2015

Mit Die Infantin, 3 tlg. reagiert Sabine Ott auf Porträts von Diego Velasquez, in denen er die Infantin Margarita Teresa als
Drei-, Fünf- und Acht-Jährige für ihren zukünftigen Bräutigam, Onkel und zugleich Cousin Leopold I.  gemalt hatte.
Wird und wurde Velasquez auch wegen seines Ungehorsams und seiner Eigenwilligkeit gegen die Prinzipien der traditionellen
Hofmalerei – Erhabenheit und Unantastbarkeit, starre Posen und lebloser Gesichtsausdruck der Dargestellten – hoch geschätzt,
stellt Ott sich hier auf mehreren Bedeutungsebenen entgegen: Starr und unnahbar inszeniert sie sich selbst in erwachsener
souveräner Haltung frei von jeglicher Lieblich- oder gar Kindlichkeit. Im ersten Bild verdeckt das Kleid eine Kiste, das Einzige,
das der Großmutter nach der Flucht aus Ex-Jugoslawien alleine im Pferdewagen mit vier Kindern ins Oberösterreichische Traun
blieb. In der zweiten Abbildung erwächst Frau Ott in den größeren Küchentisch, den der Großmutter ihres Mannes,
um schließlich am Arbeitstisch, geschweißt vom Vater, zu ganzer Größe zu gelangen –
ein subtiles feministisches Statement gemacht aus den Ingredienzien, die ihre Rahmenbedingungen für eine künstlerische
Versuchsanordnung bilden: Sabine Ott ordnet und erneuert über Rückgriffe auf Vergangenes mit kritischem Blick auf Zukünftiges.
Ihr künstlerischer Zugriff auf Materialien generiert sich aus einer verantwortungsvoll sozialen und reformerischen Haltung.
Ökonomie, Zweckmäßigkeit und Multifunktion markieren ihre Arbeiten, die zwischen Mode, Objekt, Bild und Kommentar
zugleich changieren und sich durch Reduktion und Präzision auszeichnen –
weniger ist mehr sind ihre Anlagen und Anliegen in aller Deutlichkeit und Dezenz zugleich.

Sabine Kienzer (Auszug)


oben: Puzzlekleid, 2019, Austellungsansicht: Discrete Austrian Secrets, Galaxy Museum of Contemporary Art, Chongqing, China
Gruppenausstellung kuratiert von Margareta Sandhofer
rechts, von oben: Schnittzeichnung, Puzzlekleid; das geteillte Kleid, 2021



Schon während ihres Studiums der Architektur entwickelte Sabine Ott ein vielseitiges Oeuvre: Objekte, Design, Fotografie,
Schriftarbeiten auf diversen Bildträgern, raumgreifende Installationen mit zum Teil kinetischen Objekten sowie ausgeprägte
Kleidungsstücke.
Das Werk bewegt sich in einem Zwischenbereich von Architektur, Skulptur, Möbel und Kleidung, welche die Künstlerin selbst
performativ präsentiert.
Vom Modellbau gelangte sie auch zum Schnittzeichnen. Früh schuf sie modulare Bekleidung: tragbar, aufblasbar und bis zum
Unterschlupf bietenden Zelt ausbaubar. Ein architektonischer Aspekt prägt bis heute ihre Schnittvorlagen.
Ironie, Humor und Kritik an gesellschaftlichen Normen klingt in diesen textilen Arbeiten an:
Das letzte Hemd soll als tragbare Flagge aus dem Fenster hängen, sein Träger in gebeugter Haltung dem Staat seine ausdrückliche
Ehrerbietung erweisen. Das Spiel ist heiter, doch ambivalent, liest sich der Titel doch auch als Totenhemd.
Auch die Tugend der Sparsamkeit wird parodiert. Das Einfamilienkleid ist ein Mehrpersonen-Kleid für die Kleinfamilie
Vater-Mutter-Kind, alle passen zugleich hinein, nur die Bewegungsfreiheit ist deutlich eingeschränkt.
Mit dem Puzzlekleid werden die Ressourcen restlos ausgenutzt, die Schnitte für vier Kleider fügen sich nahtlos in das zur
Verfügung stehende Stück Stoff.
Sesselkleid und Tischtuchkleid sind doppelt funktionell, das aparte Kleid dient genauso als Möbelbezug.
Auch das Spiegelei ist tragbar. Die Trägerin ist das Zentrum des fröhlich leuchtenden Glücks- und Fruchtbarkeitssymbols,
wie schmeichelnd – doch auch makaber, denn das Ei ist aufgeschlagen, fertig für die Bratpfanne.
Und doch ist es ein wunderbares großes Kleid.
Doppelbödig, kleidsam und voll listigem und lustigem Einfall sind Sabine Otts Entwürfe immer.

Margareta Sandhofer

oben: Einfamilienkleid, alleinstehend, Austellungsansicht: Discrete Austrian Secrets, Galaxy Museum of Contemporary Art, Chongqing
rechrs, von oben: Elefantenkleid, 2015; Prinzpodpomelojangtse (double income no kid), 2019; Einfamilienkleid, extended Version, 2020

oben: Sesselkleid, 2018; Huhn/Lampe, 2018;  Austellungsansicht: Sabine Ott: Frozen Performance, Galerie Michaela Stock, 2018
rechts, von oben: Huhn/Kleid 2015; Sesselkleid 2013




Ihr Einzelausstellung Frozen Performance, die von Jänner bis März 2018 in der Galerie Michaela Stock in Wien stattfindet,
zeigt das Nebeneinander von Architektur, Fotografie, Skulptur, Mode und Design, ohne sie als getrennte Disziplinen zu sehen.
Sie dokumentiert Prozesse, Veränderungen, konserviert Bewegungsabläufe; immer mit der Absicht des Erzählens.
Sabine Ott arbeitet mit Gefundenem, Verlorenem (ihrem Haar), mit Textilien und mit Sprache.
[…].So ist der Körper – noch dazu zentral ihr eigener – zwar der Ausgangspunkt und Ankerpunkt ihrer Arbeit, aber die
Bezüglichkeit zwischen den Objekten verschiebt sich je nach Standpunkt des Betrachters. Die Bekleidung, die sie als fast
architektonisch anmutende Strukturen entwickelt, stellt Fragen nach der Beschaffenheit von Körper zu Objekt, von Hülle
und Einhüllung zu Kern, zum Wesen, das dahinter liegt. […].

Michaela Stock


oben: Ausstellungsansicht: Frozen Performance, Galerie Stock; shelves; 3min. (Fallschirmkleid) Video; Tittenarschkleid
unten, von links: shelves (Selbstportrait; MDF, Lack, Haare) 2017; Fallschirmkleid  (Lastenfallschirm, 2WK) 2016,
Tittenarschkleid (Leinen, hier: Taschen nach aussen gestülpt)) 2014


Vom Körper zur Bekleidung zum Objekt: Eigentlich klingt das nach einer linearen Verknüpfung, doch bei genauerer Betrachtung
ist das komplexe Geflecht, das Sabine Ott im Laufe der Jahre konsequent verdichtet hat, eine hybride und fragile Struktur,
die Fragen nach Alltagskultur und der Position der Frau zwischen Privatheit und Öffentlichkeit stellt.

Ihren eigenen Körper inszeniert sie immer wieder als Kunstobjekt, allerdings nur um ihre Events anzukündigen, die in langjähriger
Zusammenarbeit mit der Fotografin Alexandra Eiziger eine eigenständige Serie von Fotoarbeiten hervorgebracht haben.
So entwarf sie sich selbst, für die Einladung zu ihrer Revue Ott Couture, als opulentes Spiegelei. Das legt Reverenzen zur Popkultur
nahe. Ist das Spiegelei hier Kostüm oder Instrument für eine Performance?

Ihre Kunstwerke […] spielen den Körper frei von gängigen Vorstellungen von zeitgeistiger Aktualität und lassen stattdessen Raum
für die eigene Interpretation der Trägerin / des Trägers als Subjekt.

Textauszüge: Barbara Holub: Faden, Haare: Schnitt oder : Die Komplexität, die sich der Normierung entzieht

der Mantel, 2017

Barbara Gassner eröffnet
Ott Coture 2: die Motten und das Licht,
eine Revue von Sabine Ott, 2017
Fluc/ Wanne

Spiegelei, 2015

Es gab einmal vor langer Zeit in unseren heroischen 1960er Jahren einen sehr begabten überaus skurrilen Architekten, der sich
Prinz Spiegelei nannte. Ich wusste nicht, dass er eine so junge Schwester hat.
Also: Wenn man die Kleider-Kunst-Architekturen von Sabine O. genauer betrachtet, so kann man in ihren Entwürfen nicht nur
die Wolkenkratzerkleider des Beaus Arts Architekt Ball sehen, sondern das zeitrichtige Triadische-Ballett (1912).

Wolf D. Prix (2015)

Fried Egg, Performance 2015

oben: Annette Fischer in Ott Couture, die Hühner und das Ei, 2015
rechts, von oben: Moderation: Barbara Gassner, Hühnerchor: Kördölör, Performance: Rotraud Kern

Ott Couture: Revue, Performance, Modenschau, Oper

Schauplatz des Spektakels ist ein Lokal, das Fluc, das in sich schon transitorische Eigenschaften birgt: Aus einer ehemaligen
 Fußgängerunterführung am Praterstern wurde ein Nachtclub.
Präsentiert werden Bekleidungsobjekte anhand von Performances. Ein transmediales Geschichtenerzählen:
Durch Tanz, Musik und Performance geschieht ein Appell ans Üppige, Absurde.


oben: das letzte Hemd, ( Herrenhemd, roter Stoff) 2016
rechts: rot-braun-rot (Performance zur Stichwahl: Van der Bellen/ Hofer)

Für Sabine Ott

erkläre ich alle Handtaschen, in denen mehr als 7 Gegenstände herumgetragen werden zu Kunstwerken und die TrägerInnen zu GöttInnen.
Sabine Ott hat 14 Gegenstände und Behälter in ihrer Handtasche, in denen wiederum an die 14 Gegenstände enthalten sind. Die große Handtasche, in der wiederum andere Taschen untergebracht werden können, sind tragbare Altäre des Lebens selbst. Täglichkeiten und Kunstwerke vermischen sich zu tragbaren Sammlungen. Die große Handtasche ist transportierte Ausstellung. Die Herablassung, die die große und gefüllte Handtasche oft erfährt ist routiniert applizierte Abwertung. Der innere Reichtum der großen und prall gefüllten Handtasche wird oft stellvertretend für den prallen inneren Reichtum der TrägerIn angegriffen. Diese Angriffe verwandeln die große und prall gefüllte Handtasche in umkämpftes Territorium. Die Abwertung der großen und prall gefüllten Handtasche zu stellvertretend umkämpftem Territorium muß mit der Himmelfahrt in das Kunstwerk und die Verwandlung der TrägerIn in unerreichbare GöttInnen abgewehrt werden.
Die große und prall gefüllte Handtasche ist bewegtfließender Raum und das Suchen nach Gegenständen in der großen und prall gefüllten Handtasche eine Performance. Jeder, der eine dieser bitter lustiggelangweilten Bemerkungen zu einer solchen Suche fallen läßt, ist eine Kunstbanause, die den Sinn des Lebens nicht verstanden hat. Der einzige Ausweg aus diesem Kunstbanausentum ist die langsame und dringliche Vorführung des Inhalts der großen und prall gefüllten Handtasche. Wenn eine der GöttInnen sich zu einer solchen performance herabläßt, dann wird mit der Entbergung der Gegenstände und Kunstwerke auch der Sinn des Lebens enthüllt und vorgeführt.
In Sabine Otts großer und prall gefüllter Handtasche ist der Sinn des Lebens folgendermaßen gefeiert.

– ein Päckchen Tempotaschentücher
– ein Döschen mit der Aufschrift: Meersalz mit Hibiskus.Tatsächlicher Inhalt: Tulsi ,getrocknetes indisches     
  Basilikum    
– das Buch Marlene Streeruwitz, Poetik, tübinger und frankfurter Vorlesungen
– ein Skizzenbuch, darin:
    – Kalenderausdrucke: ein Blatt pro Woche, 7 Stück, endend mit 04 03 18
    – ein Gutschein für einen Helikopterflug, VC-18-0002, 30min. Dämmerungsflug
    – ein Gutschein für ein Eurothermenresort
    – eine Einladung zu meiner Ausstellung frozen performance in der Galerie Stock
    – der Ausdruck meines Textversuches mit dem Titel: time is all we don´t have
        – 7 zeilen, endend mit einem Zitat von Daniil Charms:
                 in die Fresse gedrochen habe Kiefer gebrochen
– eine Kartonbox, darin: ein Dummy meines Buches frozen performance
– ein Lederpenal, darin:
    – ein Tampon
    – ein Lippenstift, MAC: B17, ruby woo
    – ein Toothstick von dentec
    – Stifte:     – 3x Pilot g-tec-c4
          – ein Städtler permanent lumicolor
                               – ein Kugelschreiber (keine Aufschrift)
    – ein Haargummi
    – Kleingeld: 5.90.-
    – eine Tablette, Temesta expidet 2,5 mg
    – meine grüne japanische Plastikbrieftasche, darin
            – 2 Bank-Austria Karten
            – eine Billa Vorteilsclubkarte
                                           – eine Visitenkarte
            – ein Terminkärtchen von Fußpflege Annie
            – eine Monatskarte
            – 2 fluc Getränkebons
            – eine Mitgliedskarte Mcfit
            – eine Mitgliedskarte vom Alpenverein für 2017
            – die e-card
            – eine Vorteilsklubkarte der ÖBB
            – mein Führerschein
            – Rechnungen: -3 Stück: Textil Müller (38.-, 49.08.-, 10.70.-)
                        -1x kik (5.49.-)
                        -1x pagro diskont (21.94.-)
Marlene Streeruwitz, 2018